TATENDRANG mit Verena Weyermann
Verena Weyermann züchtet Getreidesorten für den Biolandbau. Sie erzählt, wie ihre Getreidesorten zu Coop-Kundinnen und -Kunden gelangen und gibt einen Einblick in ihren abwechslungsreichen Berufsalltag.
Verena, du arbeitest bei der Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk). Was machst du dort genau?
Gemeinsam mit zwei Arbeitskollegen kümmere ich mich um die Weizenzüchtung und bin ich zuständig für die Pflanzenkrankheiten bei unseren Getreidearten Weizen, Dinkel, Emmer und Triticale.
Was ist das übergeordnete Ziel der Pflanzenzüchtung?
Ziel ist es, neue standortangepasste und widerstandfähige Sorten für den Biolandbau zu züchten. Von der Kreuzung bis zur fertigen Sorte dauert das 10 bis 15 Jahre.
h2>
Gibt es Unerwartetes in deinem Berufsalltag?
Wir arbeiten stark im Rhythmus der Pflanzen, was automatisch eine hohe Flexibilität voraussetzt. Die Kreuzungen, Ernte und Aussaat geschehen dann, wenn die Pflanzen soweit sind und das Wetter mitspielt. Darum ist das wichtigste in meinem Beruf die Flexibilität, Kreativität und der ganzheitliche Blick auf die Pflanze.
Wie profitieren wir alle von den Züchtungsergebnissen auf dem Feld?
Die Züchtung steht am Anfang der Wertschöpfungskette von Getreide: Aus unserer Arbeit entstehen neue, standortangepasste und robuste Sorten für den Biolandbau. Nach einigen Jahren der Vermehrung, gibt es Saatgut unserer Sorten. Dieses wird von den Landwirtinnen und Landwirten angebaut, die Ernte in Mühle und Bäckerei weiterverarbeitet und schliesslich kann aus den Sorten schmackhaftes und bekömmliches Mehl oder Brot gekauft werden. Das Endergebnis unserer Feldarbeit sind Produkte, die bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen.
Inwiefern wird eure Arbeit von Coop unterstützt?
Seit 2003 unterstützt der Coop Fonds für Nachhaltigkeit Züchtungsprojekte von gzpk direkt. Im Hinblick auf das gemeinsame Interesse an Sorten mit hervorragender Backqualität besteht ein Austausch zwischen den Qualitätslabors der gzpk und der Swissmill, dem Produktionsbetrieb von Coop. Schliesslich übernimmt die Swissmill jedes Jahr von Schweizer Bäuerinnen und Bauern einige tausend Tonnen Weizen aus Sorten von der gzpk. Dieses Getreide wird dann in den Coop-Bäckereien zu einem Brot verbacken.
Was begeistert dich an der Pflanzenzüchtung besonders?
Die abwechslungsreiche Arbeit draussen auf dem Feld mit dem Pflanzen begeistert mich. Zu sehen, was für eine Vielfalt im Weizen steckt, ist faszinierend. Da wir ein relativ kleines Team sind, können wir von der Projektplanung, Aussaat, Selektion bis hin zur Ernte, aber auch beim Jäten oder Aufarbeiten der Ernte überall unseren Beitrag leisten. Das ist mir persönlich wichtig.
Was bereitet dir an deinem Job besondere Freude?
Die tolle Zusammenarbeit in unserem Team und dass wir mit eher bescheidenen Mitteln schon viel erreicht haben. Die Vielfalt der Kulturen, die in unseren Zuchtgärten ersichtlich ist, ist faszinierend. Vor allem jeweils gegen Mitte/Ende Juni, wenn das Getreide leuchtend auf unseren Flächen steht.
Welche Rolle spielt die ökologische Pflanzenzüchtung für die Landwirtschaft der Zukunft?
In Anbetracht des fortschreitenden Klimawandels spielen angepasste Sorten eine zentrale Rolle. Die Gesellschaft ist zudem immer weniger bereit, die negativen Auswirkungen von übermässigen Pestizideinsatz mitzutragen. Hier können wir mit krankheits- und Beikraut-toleranten Sorten einen grossen Beitrag leisten.
Was ist deine Vision der Zukunft in diesem Bereich?
Bio darf ruhig weiterwachsen. Vor allem im Getreideanbau ist ein Herbizid- und Pestizideinsatz nicht notwendig, da die heutigen Sorten widerstandsfähig sind. Bestenfalls geht der Weg auch bei anderen Kulturen in diese Richtung. Das Bewusstsein muss in vielen weiteren Bereichen ebenfalls wachsen. Als erstes Glied einer langen Wertschöpfungskette legen wir mit der Züchtung den Grundstein.
Worauf können wir alle im Alltag für mehr Nachhaltigkeit achten?
Auf den Ansatz «Weniger ist mehr».
Wie lebst du Nachhaltigkeit privat? Wie zeigt sich das?
Unterwegs bin ich entweder zu Fuss, mit dem Velo oder dem ÖV. Und es muss nicht immer alles neu sein, Secondhand ist auch chic. Unsere Lebensmittel beziehe ich möglichst regional und aus Bio- oder biodynamischer Produktion – wenn immer möglich von Produzentinnen und Produzenten, die ich kenne: Mein Gemüse kommt vom biodynamischen Gemüsegärtner aus demselben Dorf und meine Milchprodukte kaufe ich bei einer Sennerei im Zürcher Oberland.
Wo tankst du Energie für die nächsten Herausforderungen?
In den Bergen – das ist der beste Ort den Kopf auszulüften und abzuschalten!
Was ist für dich Tatendrang?
Tatendrang ist für mich, mich mit viel Geduld und Energie für «Bio von Anfang an» einzusetzen.

Verena Weyermann (37) absolvierte 2013 ihr Masterstudium in Biologie mit dem Schwerpunkt Pflanzenwissenschaften an der Universität Basel. Sie arbeitet seit 2014 bei gzpk als Pflanzenzüchterin im Weizen-Team und ist zuständig für Phytopathologie und den Resistenzzuchtgarten. Seit 2003 unterstützt der Coop Fonds für Nachhaltigkeit Züchtungsprojekte bei gzpk.